Wie Schulen und Lehrpersonen Schüler:innen positiv begleiten und stärken können.
Können Kinder in der Volksschule auf einfache Art gestärkt werden? Ohne, dass Lehrerinnen und Lehrer ihre pädagogischen und didaktischen Konzepte ändern müssen? Und was wäre, wenn es dafür sogar wissenschaftliche Belege gäbe?
Mit PERMA die Schülerinnen und Schüler fürs Leben stärken
PERMA ist das Basismodell aus der Wissenschaft der Positiven Psychologie. Es beschreibt 5 unabhängige Dimensionen, die bei einem Menschen das Wohlbefinden bestimmen. Die fünf Buchstaben im PERMA-Modell stehen für
P: Positive emotions (positive Gefühle)
E: Engagement (Engagement)
R: Relationships (Beziehungen)
M: Meaning (Sinn und Zweck)
A: Accomplishment (Ziele und Erfolge).
Keine Angst: Obwohl PERMA einen wissenschaftlichen Hintergrund hat und mittlerweile wohl tausende von Studien zum Thema existieren, ist die Anwendung in allen Bereichen des Lebens und der Arbeit einfach.
Vereinfacht zusammengefasst gilt:
PERMA steigert das Wohlbefinden der Menschen, PERMA ist gesundheitsfördernd, PERMA ist leistungsfördernd, PERMA fördert die Kreativität!
PERMA (und die Positive Psychologie) hat in den letzten Jahren in vielen Bereichen Aufwind erhalten. So zum Beispiel in der Mitarbeiterführung mit dem modernen Führungsstil PERMA-Lead. Allerdings können nicht nur Leader:innen das PERMA ihrer Mitarbeiter*innen unterstützen. Auch Lehrer*innen können durch ihr Verhalten und die Gestaltung des Unterrichts positiv zum PERMA ihrer Schüler*innen beitragen.
Konkret: Lehrpersonen können auf einfache und unkomplizierte Art zu positiven Emotionen, zum Engagement, zu gelingenden Beziehungen und zum Sinnerleben von Schüler*innen beitragen und deren Ziele und Erfolge sichtbar machen.
Wie können Lehrpersonen mit positiver Psychologie (PERMA) die Kinder in der Schule stärken?
Lehrerinnen und Lehrer können auf einfache Art zum mehr PERMA der Kinder in der Schule und im Leben beitragen. Und das beste daran: Das alles ist ganz einfach möglich, und braucht keine Anpassungen oder Änderungen in den pädagogischen oder didaktischen Konzepten und Plänen:
P | Mehr Positive Emotionen für Schüler*innen
Leitfrage: "Was weckt in mir positive Emotionen"?
Positive Emotionen haben in zahlreichen Aspekten positive Auswirkungen. So steigern positive Emotionen die Widerstandsfähigkeit, die Motivation, die Kreativität, die sozialen Ressourcen, fördern umfassende Aufmerksamkeitsprozesse, Problemlösungsfähigkeiten und den Optimismus.
Darüber hinaus zeigen sich verstärkte aktive und passive Hilfsbereitschaft, gesteigerter Erfolg und Förderung der Gesundheit in verschiedenen Bereichen.
Positive Emotionen wirken sich also nicht nur auf die individuellen Lernleistungen von Schülern:innen positiv aus, sondern auch auf das gesamte Klassenklima.
Wer sich für Klassen also ein positives, unterstützendes Klima wünscht, kann das über das Fördern vieler (kleiner und grosser) positivenEmotionen und Erlebnissen erreichen.
Bist du Lehrerin oder Lehrer? Dann findest du hier einige Beispiele, wie du positive Emotionen bei deinen Schüler:innen fördern kannst:
“Positives-Feedback-Liste”. Im Trubel des Klassenzimmers gehen einige Schüler:innen schneller unter als andere. Reflektiere am Ende des Schultages (am besten schriftlich), wem du heute positives Feedback gegeben hast (und wem nicht). Vielleicht erkennst du, das einige deiner Schüler*innen weniger positive Aufmerksamkeit erhalten haben als andere. Du kannst nur sicherstellen, dass alle deiner Kinder im Unterricht möglichst gleich beachtet werden. So garantierst du ein faires Klima und kannst allen die Chance für positive Emotionen bieten.
Stell den Schüler:innen öfter mal die Frage, was in ihnen positive Gefühle weckt. Das muss nicht nur mit der Schule zu tun haben. Und sprich mit ihnen darüber, wie sie mehr davon ins Leben holen könnten. Du wirst sehen: Die Kinder werden da sehr kreativ!
Wenn du bereits mit den Kindern in deiner Klasse Geburtstage feierst, steigert das auch das Erleben positiver Emotionen. So erfährt das Kind, dass es gesehen und geschätzt wird.
In vielen Lebensbereichen ist unser Fokus oft defizitorientiert. Die Forschung zeigt, dass der Fokus auf das Gelingende, auf das Erreichte eine bessere Wirkung hat. Lob und Anerkennung aussprechen ist daher eine weitere Möglichkeit zur Stärkung positiver Emotionen. Loben kann man nicht nur für das Erbringen von schulischen Leistungen. Lob und Anerkennung können auch für Teamgeist, Fairness, Humor, Kreativität, Anstrengungen und vieles mehr ausgesprochen werden.
Spiel und Spass: Positive Emotionen entstehen auch, wenn die Kinder etwas machen können, das ihnen Spass macht. Vielleicht gibt es einen Zeitraum, in dem die Kinder (mit-)bestimmen können, was die Klasse macht?
E | Mehr "Engagement" für Schüler*innen
Leitfrage: Wofür engagiere ich mich mit meinen Stärken?
Eine dauerhafte Beteiligung am Lernprozess, zum Beispiel durch die Nutzung individueller Stärken, wirkt kräftigend und führt zu herausragenden Leistungen.
Wenn Schüler:innen ihre Stärken aktiv im Unterricht einsetzen können, wird ihre intrinsische Motivation gestärkt, und sie erleben wiederum positive Emotionen (was das PERMA weiterhin fördert).
Aber wie “macht man” engagierte Schüler:innen? Psychologisch betrachtet ist es leider nicht möglich, jemanden direkt zu "motivieren". Dennoch können Schulen und Lehrkräfte die Rahmenbedingungen schaffen, die Schüler:innen helfen, sich selbst zu motivieren und ein hohes Mass an Engagement zu zeigen. Dieses Engagement entsteht, wenn die Lernenden im sogenannten "Flow-Erleben" sind und ihre individuellen Stärken und Potenziale entfalten können.
Es ist daher sinnvoll, sich mit den Bedingungen für das Entstehen von Flow-Erleben auseinanderzusetzen. Damit Flow im schulischen Umfeld entstehen kann, sind bestimmte Voraussetzungen erforderlich, die erfüllt sein sollten.
Eine Aufgabe sollte bestimmte Anforderungen erfüllen, damit Flow-Erleben entstehen kann.
Passung zwischen Fertigkeiten/Skills und den Anforderungen Die Aufgabe sollte heraus- aber nicht überfordernd sein. Denn weder in der Überforderung (Beunruhigung, Stress) noch in der Unterforderung (Langeweile, Stress) liegt die optimale Leistungsbereitschaft, egal für welche Aufgabe. Das gilt also auch für Schulaufgaben. Hier kündigt sich bereits die erste Implikation für den Unterricht an: Weil nicht alle Schüler:innen die gleichen Voraussetzungen, Fertigkeiten und das gleiche Wissen mitbringen, sind nicht alle am gleichen Punkt unter- bzw. überfordert. Potenzialentfaltung entsteht also durch Individualität. Oder anders gesagt: Flow-Erleben kann entstehen, wenn Schülerinnen und Schüler in Bezug auf ihre Fertigkeiten, Stärken und Skills individuell betrachtet werden. Die erste Voraussetzung für Flow-Erleben ist also, dass die Fähigkeiten/Skills (also was ein:e Schüler:in beispielsweise schon zu Hause gelernt hat) zu den Herausforderungen, die im Unterricht gestellt werden, passen.
Klare Ziele setzen Für die Entstehung von Flow-Erleben ist es hilfreich zu wissen, wohin man will. “Was mache ich überhaupt? Was ist mein Ziel?” Klare - an das Kind angepasste - Ziele unterstützen die Chance auf Flow-Erleben.
Der Beitrag zum Ganzen Das Flow-Erleben wird gefördert, wenn die eigene Aufgabe zu einem “grösseren Ganzen” beiträgt. Wenn Schüler:innen beispielsweise einen Teil eines Klassenprojektes übernehmen wissen sie, dass ihr Teil wichtig ist für den Erfolg des “Grossen Ganzen”.
R | Gute und gelingende Beziehungen
Leitfrage: Was ist mir in Beziehungen wichtig? Wer tut mir gut?
Wenn du dich an deine Schulzeit zurückerinnerst, denkst du wohl als erstes an die Menschen, die damals mit dir den Alltag geteilt haben.
Vielleicht hast du noch gute Freunde aus der Schulzeit? Oder du erinnerst dich daran, wie sehr du dir gewünscht hast, auch dazuzugehören?
Der neuseeländische Bildungsforscher John Hattie hat in seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen die Bedeutsamkeit der Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler*in bereits gut belegt.
Das verdeutlicht, wie wichtig Beziehungen für uns Menschen sind. Das ist so, weil gelingende Beziehungen ein Grundbedürfnis aller Menschen sind. Unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft.
Beziehungen in der Schule, besonders die Stärke der Beziehungen und das Engagement in diese, prägen nicht nur das Erleben des Schulalltags, sondern wirken sich auch auf die schulische Leistung aus.
Nebst der Beziehung zwischen Lehrperson und Schüler*in können aber auch die Beziehungen zwischen den Schüler*innen aktiv gefördert werden.
Beziehungen in der Schule fördern aber nicht nur das generelle Wohlbefinden, die Gesundheit und eine positive Atmosphäre, sondern haben auch einen positiven Einfluss auf die Leistungen der Schüler*innen.
Daher ist es relevant, sich im schulischen Umfeld bewusst mit der Pflege positiver Beziehungen auseinanderzusetzen, wenn man eine förderliche Umgebung schaffen möchte, die nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die schulische Leistung der Lernenden steigert.
Hier einige Beispiele, wie du positive Beziehungen in einer Klasse fördern kannst:
Ein wertschätzendes Klima vorleben und erwarten: Wenn diskriminierendes Verhalten nicht toleriert wird, zeigst du den Schüler:innen, dass die Schule eine sichere Umgebung ist.
Zeit für Austausch: Für Schüler:innen sind Pausen und Gruppenaktivitäten genauso wichtig wie das Lernen von Konzepten und Inhalten. Hier gibt es Raum, in dem positive Beziehungen überhaupt entstehen und aufrechterhalten werden können.
Könfliktlösungstaining: Bietet deine Schule/ dein Unterricht Raum zur Konfliktlösung? Gibst du den Schüler:innen Werkzeuge an die Hand, Konflikte auf positive Weise zu bewältigen?
Kooperative Lernmethoden: Es kann die Beziehung fördern, wenn du teilautonome Gruppen machst, die gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Du kannst die Gruppen beispielsweise nach Stärken zusammenstellen (innerhalb eines Teams sind Schüler:innen vertreten sind, die verschiedene Stärken mitbringen). Gemeinsam können sie so ein Ziel erreichen (beispielsweise ein Thema verstehen und erklären können, ein Modell gestalten usw.)
M | Das Sinnempfinden stärken
Leitfrage: Was ist mein Sinn im Leben? Was ist für mich wertvoll?
Kinder sind neugierig, wollen Vieles wissen.
“Warum ist der Himmel blau?”, “Warum müssen wir schlafen?”, “Warum geht die Sonne jeden Abend unter?”,, “Warum können Vögel fliegen, aber Menschen nicht?", “Warum träumen wir im Schlaf?”
Das Wichtigste an all den Fragen ist das gemeinsame “Warum”. Kinder (und übrigens auch Erwachsene) wollen wissen Warum etwas so ist wie es ist und warum sie tun müssen, was sie tun müssen.
“Warum muss ich Gemüse essen?”, “Warum muss ich früh ins Bett gehen?”, “Warum muss ich meine Hände waschen?”, “Warum muss ich zur Schule gehen?”, “Warum muss ich höflich sein?”
Wie oft wurde dir bereits eine Aufgabe übertragen, deren Sinn und Zweck du weder verstanden noch gefühlt hast? Sicher bestätigst du, dass dann kaum Motivation für die Aufgabe entstanden ist
So geht es wohl Schüler:innen, die lernen müssen, das Brot auf englisch “bread” heisst, wo sie doch erst vor ein paar Jahren gelernt haben, dass dieses braune, runde, essbare, gebackene Stück Teig ein “Brot” ist und mit dieser Bezeichnung doch ziemlich gut zurecht gekommen sind.
Und warum sollten sie überhaupt ein neues Wort dafür lernen? Mama und Papa verstehen sie/ihn ja, und auch seine/ihre Freunde wissen alle was er/sie will, wenn er/sie am Esstisch nach einem Stück Brot fragt.
Stell dir vor, der kleine Laden an der Strassenecke, in dem du regelmässig einkaufst, würde von dir fordern, dass du ab sofort nur mit dem exakten Betrag bezahlst; Wechselgeld soll vermieden werden. Eine Erklärung dafür bekommst du nicht. Wie würdest du reagieren? Wüsstest du aber, dass die nette Kassiererin im Laden an Dyskalkulie leidet und deshalb für eine exakte Bezahlung dankbar (und der Bezahlvorgang erst noch viel schneller geht, wenn du den exakten Betrag bereithältst), wäre der zusätzliche Aufwand für dich vielleicht eher in Ordnung.
Wenn der/die Englischlehrer*in den Schüler:*innen also einen Sinn vermitteln kann, die Sprache zu lernen, so wird es den Schüler*innen auch leichter fallen.
Im schulischen Kontext ist "Meaning" oder Sinn also von großer Relevanz. Sinnhaftigkeit bezieht sich darauf, wie Schülerinnen und Schüler Bedeutung und Wert in ihrem schulischen Tun finden können.
Es ist wichtig, dass Lehrer*innen sich bewusst darauf konzentrieren, wie sie den Lernstoff so präsentieren können, dass die Schüler*innen eine persönliche Bedeutung darin erkennen. Das Hervorheben von praktischer Relevanz, die Verknüpfung mit persönlichen Interessen und die Demonstration von realen Anwendungen des Gelernten sind effektive Wege, um Sinn im schulischen Kontext zu schaffen.
Durch die Betonung von Sinnhaftigkeit im Unterricht können Lehrkräfte dazu beitragen, die intrinsische Motivation der Schüler:innen zu stärken, was wiederum einen positiven Einfluss auf ihre Lernergebnisse hat. Vielleicht lernen die Kinder nun sogar gerne Englisch: Sie wollen die Sprache lernen, um in den Ferien in England mit den Nachbarskindern spielen zu können oder die Moderation zu verstehen, wenn sie auf Twitch ein online-Game mitverfolgen.
Die Integration von "meaning" im schulischen Kontext ist also entscheidend für die Förderung eines umfassenden und nachhaltigen Lernens.
A | Accomplishment: Der Fokus auf das Gelingende und das Erreichte
Leitfrage: Welche Ziele habe ich? Was sind die nächsten Schritte?
Im schulischen Kontext spielt das Konzept der Ziele und Erfolge ("accomplishments") eine entscheidende Rolle.
Kennst du das Gefühl, nach einem anstrengenden Arbeitstag gar nicht genau zu wissen, was du alles gemacht, erledigt und erreicht hast?
Diese Unklarheit führt zu Unzufriedenheit - und bisweilen sogar bis zur Erschöpfung
So kann es auch Schüler*innen gehen. Sie sitzen zwar den ganzen Tag in der Schule, allerdings wird nur selten sichtbar gemacht, was sie an einem Tag alles gemeistert haben.
So ist den Schüler*innen oft nicht bewusst, welche Fortschritte oder Erfolge erzielt wurden. Das Konzept der "accomplishments" zielt darauf ab, diesem Gefühl entgegenzuwirken und Erfolge sichtbar zu machen.
Es ist wichtig, die erreichten (Teil-)Ziele der Schüler*innen zu bemerken und zu würdigen. Um ihr volles Potenzial auszuschöpfen, müssen sie erkennen, was sie durch ihre Anstrengungen und Taten erreichen können. Das Bewusstsein dafür, dass ihre Kompetenzen und ihr Engagement einen Einfluss haben und sie etwas bewirken können, ist entscheidend für die Motivation. Daher ist die Förderung von "accomplishments" im schulischen Kontext besonders wichtig, um einen kontinuierlichen Anreiz für das Lernen und persönliches Wachstum zu schaffen.
Hier einige Ideen, wie du die Erfolge deiner Schüler*innen sichtbar machen kannst:
To-Do und “done”: Wenn Schüler:innen Aufgaben erledigt haben, könntest du diese Aufgaben nicht einfach ins Jenseits verschwinden lassen, sondern auf einer “Done-Liste” festhalten.
Anstrengungen loben: Auch wenn Schüler:innen eine Aufgabe noch nicht richtig oder selbstständig lösen können, kannst du sie dafür loben, dass sie es versucht haben. Die Haltung wäre dann: "Du hast die Aufgabe NOCH nicht erledigt" und nicht "Du hast die Aufgabe nicht erledlgt.
Erfolgserlebnisse schaffen. Im Abschnitt "wie entsteh Flow" hast du bereits gelesen, wie wichtig die Passung zwischen Fähigkeiten/Skills und Herausforderungen ist. Wenn du die Aufgaben den Kindern so zuteilst. dass Anforderungen und Skills in einem guten Verhältnis stehen kannst du für die Schüler:innen Erfolgserlebnisse wahrscheinlicher machen und diese dann auch aktiv anerkennen und zurückmelden.
PERMA und Positive Psychologie in der Schule sind einfach und wichtig.
In der Vergangenheit fand das PERMA Modell der Positiven Psychologie vor allem in Bezug auf das Wohlbefinden einzelner Menschen und in der Mitarbeitendenführung Einzug. Mit “PERMA-teach” wird das wissenschaftlich untersuchte Erfolgskonzept im Schulalltag angewendet. Das bietet den Lehrpersonen viele Möglichkeiten, Positive Psychologie in der Schule anzuwenden. So kann Schüler*innen eine möglichst positive, wertschätzende, unterstützende und gleichzeitig “potentialentfaltende” Ausbildung geboten werden.
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